Tabuthema Enddarmkrankheiten

23. September 2019
Stuhlinkontinenz - ein Tabuthema in unserer Gesellschaft
©iStock, absolutimages

Bis zu 5 Prozent der Gesamtbevölkerung und über die Hälfte der Menschen, die in Pflegeheimen leben, leiden an Stuhlinkontinenz und anderen Krankheiten des Dick- und Enddarms, die massiv die Lebensqualität der Betroffenen einschränken. Der europäische Koloproktologenkongress, der vom 25. bis 27. September im Austria Center Vienna stattfindet, tritt für die Endtabuisierung des Volksleidens ein und gibt Einblick in neue chirurgische Verfahren sowie Erkenntnisse der Krebs- und Stammzellenforschung.

„Wir Koloproktologen beschäftigen uns mit den Erkrankungen des Dickdarms, Enddarms und Anus. Hier arbeiten wir hauptsächlich chirurgisch, aber es gibt auch einige Erkrankungen, die gut konservativ behandelbar sind,“ so OÄ. Dr. Irmgard Kronberger von der Uniklinik Innsbruck und National Representative der European Society of Coloproctology (ESCP).“Auch wenn es nach wie vor noch ein Tabu-Thema ist, leiden zwei Drittel aller Menschen zumindest einmal im Leben an einer Erkrankung des Enddarms. Das ist auch einer der häufigsten Gründe, warum ein Hausarzt besucht wird. Die Dunkelziffer jener Menschen, die sich aus Scham keine Hilfe holen, wird noch weitaus höher geschätzt,“ betont Kronberger. Mit dem europäischen Koloproktologen-Kongress soll ein wesentlicher Beitrag zur Endtabuisierung geleistet werden.

Volkskrankheiten Stuhlinkontinenz – bis zu 5 % der Bevölkerung leiden daran

Häufige koloproktologische Diagnosen sind Hämorrhoidenleiden, Analfissuren, Infektionskrankheiten und Stuhlinkontinenz. Bei der Stuhlinkontinenz handelt es sich um den ungewollten Stuhlabgang in Form von Winden, flüssigen oder geformten Stuhl. „Wir gehen davon aus, dass 2 bis 5 Prozent der Gesamtbevölkerung an einer Form der Stuhlinkontinenz leiden. Bei über 50-Jährigen sind bis zu 15 % davon betroffen und wir wissen aus Pflegeheimen, dass mehr als die Hälfte der dort lebenden Personen darunter leiden,“ erklärt Kronberger. Vor allem Ältere und Menschen, die an Durchfallerkrankungen, chronischen Darmerkrankungen oder Diabetes leiden, sind einem höheren Risiko ausgesetzt. Auch einige Medikamente, Strahlentherapien, bestimmte Operationen oder Geburten können das Entstehen eines solchen Leidens begünstigen.

Kampf gegen die soziale Isolation und für eine bessere Lebensqualität

Stuhlinkontinenz führt oft zur Verlegenheit und Isolation der Menschen. – Das muss nicht sein, denn einigen Ursachen wie Bewegungsmangel und schlechten Toilettengewohnheiten kann man bereits durch richtige Haltung auf der Toilette und prophylaktisches Beckenbodentraining entgegenwirken. Durch eine konservative Behandlung kann die Lebensqualität bereits wesentlich erhöht werden. So verbessern die Einnahme von getrockneten Heidelbeeren die Stuhlqualität und einige Patienten setzen vor speziellen Situationen außer Haus auf Wassereinläufe, um den Enddarm zu entleeren.

Bewährte chirurgische Eingriffe: Von Gatekeeper und Nervenstimulation

Reichen diese und ähnliche Maßnahmen nicht aus, kann auf verschiedene chirurgische Verfahren zurückgegriffen werden. Dazu zählt die Augmentation der Schließmuskelfunktion. Dabei wird Fremdgewebe z. B. in Form von Prothesen als „Gatekeeper“ minimal invasiv um den Analkanal eingebracht und somit der Schließmuskel beim Abdichten unterstützt. Eine andere Form der Therapie ist das Nähen von größeren Muskellücken, um den Schließmuskel zu reparieren. Auch gut bewährt ist eine spezielle Art der Nervenstimulation. Dabei werden am unteren Rücken bei den Nerven, die für die Darmfunktion zuständig sind, Elektroden eingesetzt. Durch diese Nervenmodulation kann auch der Stuhlgang besser gehalten werden.

Analfistel – Österreich setzt auf neue chirurgische Methoden und Stammzellen

Zu den speziellen Erkrankungen des Enddarms gehören wiederkehrende Analfisteln. Das sind Entzündungen im Enddarm-Bereich, die auch schmerzhaft sind. „Hier sind wir in Österreich bei der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden ganz vorne dabei,“ freut sich Kronberger. So wurde letztes Jahr eine neue chirurgische Methode an der MedUni Wien und der Medizinischen Universität Innsbruck mit hohem Erfolg getestet. „Das Innovative dabei ist, dass uns die speziell entwickelte Vorrichtung ermöglicht, isoliert nur das Fistelgewebe zu entfernen und somit das andere Gewebe bzw. den Schließmuskel schont,“ erklärt Kronberger.

„Wir Österreicher sind auch eines der ersten Länder weltweit, die bei komplizierten Analfisteln bei Morbus Crohn mit der Behandlung durch Stammzellenforschung einen Schritt weiter gehen,“ so die Koloproktologin. Dabei werde Stammzellen aus Fettgewebe gewonnen und speziell aufbereitet im Gewebe um die Fistel angebracht. Diese Stammzellen schicken spezielle Botenstoffe ins Gewebe, die den entzündlichen Charakter nehmen und Heilung möglich machen. Diese neuartige Therapie wird derzeit in Wien und Innsbruck bei Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zur Behandlung von Analfisteln mit Erfolg getestet. Die Details zu den beiden innovativen Studienprojekten werden auch am ESCP-Kongress präsentiert.

Über die IAKW-AG

Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft) ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 24 Sälen, 180 Meetingräumen sowie rund 26.000 m² Ausstellungs- und Networkingfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen.

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