Kongress der Spitalsapothekerinnen und -apotheker in Wien: Gemeinsam mit Arzt und Patient zur optimierten Medikation
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Das breite Aufgabenspektrum der Spitalsapotheken ist in Österreich vielen nicht bewusst. Ihre pharmazeutischen Fachkräfte arbeiten unter anderem direkt auf den Krankenhausstationen, unterstützen dort das medizinische Personal wie Pflegekräfte und beraten Patienten. Dabei leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung von Medikationsfehlern und zur Verbesserung der Patientensicherheit. Dennoch ist die flächendeckende Versorgung mit Spitalsapotheken in Österreich noch eher gering. Beim internationalen Kongress der European Association of Hospital Pharmacists (EAHP) wird vom 23. bis 25. März im Austria Center Vienna einmal mehr das Potenzial der neuen Rolle der Spitalsapotheker für das Gesundheitssystem aufgezeigt.
Viele kennen und schätzen ihre Apotheke ums Eck, haben aber kein Bild von Spitalsapotheken im Kopf. „Wir Spitalsapothekerinnen und -apotheker sind hochqualifizierte Arzneimittel-Expertinnen und -Experten, die bereits sehr früh in die Behandlung der Patientinnen und Patienten eingebunden sind und so als Teil des multidisziplinären Behandlungsteams wesentlich dazu beitragen, Medikationsfehler zu vermeiden und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu verbessern,“ erklärt Mag.a pharm. Fiona Nagele, MSc, klinische Pharmazeutin der Anstaltsapotheke im Universitätsklinikum AKH Wien und Österreich-Referentin beim Kongress der European Association of Hospital Pharmacists (EAHP). Das Aufgabenspektrum umfasst so neben Logistik, Beschaffung, Herstellung, Analytik und Qualitätsmanagement auch die Arzneimittelinformation und klinische Pharmazie. Eine ihrer Kernaufgaben als klinische Pharmazeutin ist daher, direkt auf der Krankenhausstation an Visiten teilzunehmen, das ärztliche und pflegerische Personal zu unterstützen und vor Ort beratende Gespräche mit den Patienten zu führen. „Diese Arbeit wird von den Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal im AKH Wien auch sehr geschätzt – immerhin bestätigen uns bei anonymen Befragungen 62 % von ihnen, dass durch unsere Beratung bei der Therapie von Patientinnen und Patienten eine Verbesserung erreicht worden ist,“ so Nagele.
Medizinische Neuerungen: rund 500 Publikationen wöchentlich
Ein Behandlungsstandart ist die Anwendung von evidenzbasierter Medizin. Sie stützt sich auf die drei wesentlichen Säulen individuelle klinische Erfahrung, Stand der Wissenschaft und Patientenwunsch. Evidenzbasierte Medizin ist aufgrund der Fülle neuer Forschungsergebnis-se mittlerweile sehr komplex geworden. „Eine Ärztin bzw. ein Arzt müsste derzeit pro Woche an die 500 Publikationen durcharbeiten, um sich über die medizinischen Neuerungen up-to-date halten zu können. Wir Spitalsapothekerinnen und -apotheker durchforsten gezielt systemische Übersichtsstudien von Arzneimitteln, führen Literaturrecherchen zu speziellen Fragestellungen durch und erstellen auch Arbeitsbehelfe für Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal. Zudem sind wir an der Ausarbeitung von Therapievergleichen und internen Leitlinien beteiligt. Damit bieten wir objektive und qualitativ hochwertige Informationen zu allen Aspekten der Arzneimitteltherapie und entlasten die Medizinerinnen und Mediziner in diesem Bereich enorm,“ gibt Nagele Einblick in ihre tägliche Arbeit. Darauf basierend und unter Berücksichtigung spezieller Guidelines sowie Informationen von Patienten machen klinische Pharmazeuten auf einzelnen Patienten zugeschnittene Vorschläge für die Arzneimitteltherapie.
Vom Vorhofflimmern zur langfristigen Schlaganfallprophylaxe
Ein konkretes Beispiel: Auf der kardiologischen Station, auf der Nagele arbeitet, kommen unter anderem Patienten mit Vorhofflimmern. Diese bekommen aufgrund ihres größeren Risikos für einen Schlaganfall auch blutverdünnende Präparate. Für die Behandlung kommen verschiedene Medikamente in Frage. „Wir analysieren daher die Nierenfunktion, Gewichtsdaten und das Alter der Patientinnen und Patienten sowie die möglichen Wechselwirkungen mit anderen Präparaten. Mit den einzelnen Personen werden dann die so vorselektierten Arzneimittel auch in Hinblick mit der Einnahmefrequenz und dem persönlichen Lebensstil besprochen. Damit können wir gemeinsam mit der Ärztin bzw. dem Arzt das für die jeweilige Person beste Arzneimittel finden,“ erklärt Nagele.
Medikationsfehler erkennen und überflüssige Medikamente absetzen
Studien haben gezeigt, dass pro Jahr bis zu 7 % aller Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Wirkungen oder Wechselwirkungen von Arzneimitteln zurückzuführen sind. „In der Unfallchirurgie gibt es beispielsweise Patientinnen und Patienten, die mit Oberschenkelhalsbrüchen ins Spital kommen. Häufig wird der Sturz durch die Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmittel ausgelöst. Wir schauen daher in diesen Fällen ganz genau hin, analysieren die Arzneimittel mit ihren Wechselwirkungen und machen Vorschläge zur Therapieumstellung,“ erklärt die klinische Pharmazeutin. Diese Beratung hilft, weitere Unfälle zu vermeiden und Medikamente, die nicht mehr notwendig sind, abzusetzen oder besser geeignete Alternativen zu finden.
Klinisch-pharmazeutische Versorgung – in anderen Ländern bereits Standard
Im AKH Wien hat man den Nutzen der klinischen Pharmazie als wesentlichen Teil der Spitalsapotheken bereits erkannt. Seit 2016 wurden daher die medizinischen Bereiche, in denen klinische Pharmazeuten eingesetzt werden, von 3 auf 50 Stationen ausgeweitet. Österreichweit verfügen jedoch leider seit über 6 Jahren nur rund 17 Prozent der heimischen Spitäler über eine eigene Krankenhausapotheke. Eine flächendeckende klinisch-pharmazeutische Versorgung – wie es in angloamerikanischen Ländern schon seit längerem üblich ist – wäre auch hier wünschenswert. Beim EAHP-Kongress diskutieren daher über 3.000 Teilnehmer aus ganz Europa gemäß dem Motto „changing roles in a changing world“, wie man durch die neue Rolle der Spitalsapotheken die medizinische Welt im Sinne der Patienten verbessern kann.
Über die IAKW-AG
Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 19 Sälen, 180 Meetingräumen sowie rund 26.000 m2 Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen. www.acv.at