16. Juni 2025

Wenn Krebs zur chronischen Krankheit wird: Durchbruch in der Behandlung von Eierstockkrebs

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Ärztin erklärt Patientin Diagnose anhand eines Modells des Urogenitaltraktes
iStock, peakSTOK

Nach wie vor stirbt die Hälfte der Eierstockkrebspatientinnen innerhalb von 5 Jahren. Eine neuartige Erhaltungstherapie auf Basis von PARP-Inhibitoren und treffsicherere Chemotherapien mithilfe von Antikörper-Wirkstoff-Konjugate wollen das ändern. Wie das geht, welche Vorsorgemöglichkeiten es gibt und welche innovativen Behandlungsmöglichkeiten es auch für andere Krebserkrankungen des weiblichen Genitaltraktes gibt, darüber wird beim ESMO Gynaecological Cancer Congress diskutiert, der vom 19. bis 21. Juni im Austria Center Vienna stattfindet.

„Alljährlich erkranken in Österreich an die 2.500 Frauen an einer Krebserkrankung im weiblichen Genitaltrakt. Die gute Nachricht ist, dass wir schon sehr viele dieser Frauen heilen oder wirksam lebensverlängernd behandeln können. Für die optimale Therapie ist es ganz zentral, dass die Krebspatientinnen in spezialisierten Zentren behandelt werden und dass sie, wo nötig, Zugang zu Studien erhalten, die ihnen schon heute die Therapie von morgen ermöglichen. Bei der Behandlung von Eierstockkrebs kommt hinzu, dass wir die Therapie seit 5 Jahren um Erhaltungstherapien erweitern konnten. Das ist ein großer Meilenstein in der Behandlung von Eierstockkrebs“, so Univ.-Prof. Dr. Christian Marth, Direktor Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der Medizinischen Universität Innsbruck und Mitglied des wissenschaftlichen Komitees des ESMO Gynaecological Cancer Kongresses.

Eierstockkrebs durch Erhaltungstherapie in chronische Krankheit verwandeln

Gerade Patientinnen mit Eierstockkrebs haben nach wie vor eine schlechte Prognose – die Hälfte von ihnen verstirbt innerhalb von 5 Jahren. Große Hoffnung, das zu ändern liegt in einer neuen Nachbehandlung der Erkrankung. Durch die Ergänzung der klassischen Therapie – operative Behandlung und Chemotherapie – um eine medikamentöse Erhaltungstherapie soll sich die Prognose der Patientinnen wesentlich verbessern. „Mithilfe der Erhaltungstherapie können Rückfälle verhindert oder verzögert werden, das progressionsfreie Überleben verlängert werden und die Lebensqualität möglichst stabil gehalten werden. Sprich unser Ziel ist es, damit die Eierstockkrebserkrankung in eine chronische Erkrankung zu verwandeln“, betont Marth.

PARP-Inhibitoren als Schlüsselfunktion

Nach der molekularen Analyse des jeweiligen Eierstockkrebses werden bei dieser Nachbehandlung in Tablettenform entsprechende PARP-Inhibitoren, das sind Poly-ADP-Ribose-Polymerase-Hemmer, verabreicht. „Diese PARP-Inhibitoren blockieren das Enzym PARP, das für die Reparatur von DNA-Schäden zuständig ist. Krebszellen, insbesondere solche mit BRCA1/2-Mutationen oder andern Defekten in der DNA-Reparatur, sind besonders auf PARP angewiesen. Wird dieses Enzym gehemmt, so können sich die Krebszellen nicht mehr reparieren und sie sterben ab“, erklärt der renommierte Gynäkologe das Prinzip. Das gilt als großer medizinischer Meilenstein.

Treffsicherere Chemotherapie dank Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Wesentliche Verbesserungen in der Behandlung von Eierstockkrebs gibt es vor allem auch durch den Einsatz von Antikörper-Wirkstoff-Konjungaten (ADC – Antibody-Drug Conjugates). ADCs kombinieren einen monoklonalen Antikörper, der sich gezielt an ein Tumor-spezifisches Oberflächenmerkmal bindet und eine hochwirksame Chemotherapie, die an den Antikörper gebunden ist. „Man kann sich diese zielgerichtete Krebstherapie wie ein Trojanisches Pferd vorstellen. Erst wenn die Krebszelle das Zelltor für die Chemotherapie geöffnet hat, entfaltet diese ihre kraftvolle Wirkung im Inneren der Krebszelle“, erklärt der Mediziner. Das macht eine effektivere und für die Patientinnen schonendere Chemotherapie möglich. Für diese Behandlung vom Eierstockkrebs kommen – je nach genetischer Ursache– drei bis vier ADCs in Frage. Zu ihnen zählt ein spezieller Rezeptor für das Folat vom Vitamin B9, HER2-Rezeptor und TROP-2.

Eierstockkrebs – der stille, aber häufig aggressive Krebs

„Dass der Eierstockkrebs nach wie vor tendenziell eher in einem späteren Stadium entdeckt wird, liegt vor allem daran, dass er als „stiller“ Krebs gilt, der oft sehr lange symptomlos verläuft. Alljährlich sind in Österreich an die 700 Frauen von einer Eierstockkrebs-Neuerkrankung betroffen“, erklärt Marth. Häufige Bauchschmerzen, Zunahme des Bauchumfangs, Verdauungsprobleme und Verstopfung können erste, aber leider sehr unspezifische Anzeichen für eine mögliche Erkrankung sein. Bei der routinemäßigen Ultraschalluntersuchung beim Gynäkologen können zwar verdächtige Tumoren, Durchblutungsaktivitäten der Tumoren und Flüssigkeiten in der Bauchhöhle entdeckt werden, aber häufig ist der Eierstockkrebs dann, wenn er erkannt wird, schon in einem fortgeschrittenen Stadium.

Krebsvorsorge bei erblich bedingtem Eierstockkrebs

Sind enge Familienmitglieder (Mutter/Schwester/Großmutter) an Eierstock- oder Brustkrebs erkrankt, kann sich die ratsuchende Frau daher ab der Volljährigkeit bezüglich ihres eigenen genetischen Risikos beraten lassen. Idealerweise ist hierfür die konkrete familiäre Genmutation, nach der untersucht wird, bekannt. Bei erblich bedingten Eierstockkrebs kommt relativ häufig eine Mutation bei BRCA1 und BRCA2 vor. Das sind Tumorsuppressor-Gene, die eine zentrale Rolle bei der Reparatur von DNA-Schäden spielen. „Arbeiten diese DNA-Lektoren nicht richtig, kann Brust- oder Eierstockkrebs im Körper entstehen, weil die DNA-Lektoren Abschreibfehler in der DNA leider nicht erkennen“, so Marth. Wird die Frau nun positiv auf die Mutation getestet, sind für sie schwerwiegende Entscheidungen zu treffen – so, ob sie lieber mit dem Wissen über ihr Risiko leben und engmaschige Kontrollen vorzieht oder ob sie – wie die Schauspielerin Angelina Jolie, dessen Mutter und Großmutter Eierstockkrebs hatten – durch prophylaktische operative Entfernung von Brüsten, Eileiter und Eierstock eine mögliche zukünftige Krebserkrankung verhindern möchte.

Krebs im weiblichen Genitaltrakt – Vielfalt und unterschiedliches Risiko

Von den 2.500 Frauen, die in Österreich alljährlich an einer Krebserkrankung im weiblichen Genitaltrakt erkranken, leiden 1.100 an Gebärmutterkörperkrebs, 700 an Eierstockkrebs und 450 an Gebärmutterhalskrebs. ¾ dieser Krebserkrankungen entstehen aufgrund von Umweltfaktoren – wie Lifestyle – oder Zufall. ¼ entsteht aufgrund von erblichen Faktoren, sprich, dass die Zellmutation bereits in der Keimbahn der Eizelle passiert ist und die Mutation in allen Körperzellen des Menschen vorhanden ist. Ist ein Elternteil Genträger einer solchen Mutation besteht für die Kinder jeweils eine 50%-ige Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein entsprechender Genträger zu sein. Bestimmte Krebserkrankungen weisen einen sehr engen Zusammenhang auf, wie beispielsweise Brust- und Eierstockkrebs oder Darm- und Gebärmutterkörperkrebs. Das Entstehen durch HPV-Viren verursachten Krebs – wie Gebärmutterhalskrebs, Scheiden- und Schamlippenkrebs sowie HNO- und Endarmkrebs – könnte mittlerweile durch eine entsprechende HPV-Schutzimpfung verhindert werden.

Über die IAKW-AG und den ESMO-Kongress

Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft) ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 21 Sälen, 134 Meetingräumen sowie rund 26.000 m² Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen. Die European Society for Medical Oncology (ESMO) ist eine der wichtigsten europäischen Fachgesellschaften für medizinische Onkologie. Der ESMO Gynaecological Cancer Congress widmet sich der Verbesserung des Verständnisses und der Behandlung von gynäkologischen Krebserkrankungen wie Eierstock- Gebärmutterhals-, Gebärmutter-, Vaginal- und Vulvakrebs.

Kontakt

Claudia Reis

Stv. Pressesprecherin

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