Vom Gemüsesackerl bis zur Futtermittelproduktion: Biotechnologie als mögliches Bollwerk für den Klimaschutz

4. Oktober 2021
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Die Produkte der Biotechnologie sind nicht nur im täglichen Leben allgegenwärtig. Die Biotechnologie – und hier insbesondere die Enzymtechnologie - hat ein hohes Potenzial als Zukunftstechnologie zur Bewältigung der Klimakrise. Mit ihrer Hilfe können Kunststoffe aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden und biologische Abfallprodukte aus Lignocellulose als Stärkelieferanten genutzt werden. Innovative Ansätze gibt es auch zur Nutzung von CO2 in der Proteinherstellung für Futtermittel. Beim europäischen Forum für industrielle Biotechnologie und Bioökonomie (EFIB) vernetzen sich vom 5. bis 7. Oktober im Austria Center Vienna Biotechnologen mit der Industrie. Denn nur wenn Biotechnologie im großen industriellen Kontext angewandt wird, kann sie als Bollwerk für den Klimaschutz dienen.

„Die Biotechnologie ist eine wesentliche Zukunftstechnologie. Wir begegnen ihr in so vielen Alltagssituationen. Mit ihrer Hilfe können wir industrielle Produktion umweltfreundlicher gestalten und damit langfristig auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten,“ so Univ.-Prof. DI Dr. Bernd Nidetzky, Professor für Biotechnologie an der technischen Universität Graz, Wissenschaftlicher Leiter des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) und Speaker beim europäischen Forum für industrielle Biotechnologie und Bioökonomie (EFIB).

Vom Käse über Antibiotika bis hin zur „neuen PET-Flasche“

Die Biotechnologie nutzt Biosysteme, wie das Wachstum einer Zelle, und verwendet sie in einem industriellen Kontext. So entstehen Käse, Joghurt und Zucker für die Lebensmittelproduktion sowie kleine Moleküle wie Antibiotika für die Medizin. Auch das „Gemüsesackerl“ aus dem Supermarkt kann bereits via Biotechnologie hergestellt werden und könnte so sukzessive die herkömmliche Plastikproduktion ersetzen. Immerhin werden nach wie vor trotz Recycling über 56 Millionen Tonnen an PET hergestellt. Mithilfe der Biotechnologie können für die Produktion solcher Kunststoffe auch erneuerbare Stoffe herangezogen werden.

Enzyme als Schlüssel zum Erfolg

Die Enzymtechnologie spielt in der Biotechnologie dabei eine große Rolle. Mit ihrer Hilfe können „biologische Katalysatoren“ hergestellt werden. Was bisher in der chemischen Industrie mit vielen Schritten und Abfallprodukten erfolgte, soll Mithilfe der biotechnologisch hergestellten Enzyme in einem Schritt, gezielter und effizienter hergestellt werden. Eine große Herausforderung dabei ist, die Enzyme – die ursprünglich im Wasser löslich vorkommen – in eine feste Form zu bringen. Um diese Enzyme und aber auch andere Proteine strukturell für den industriellen Prozess aufbereiten zu können, wird das Protein Engineering herangezogen. Dabei wird die Struktur der Proteine verändert, indem einzelne Aminosäuren gezielt gegen andere ersetzt werden. Mithilfe dieser molekularbasierten Methode können Proteine und Enzyme hergestellt werden, die beispielsweise eine verbesserte Stabilität oder bessere Effektivität aufweisen und sich damit auch für den industriellen Einsatz eignen. „Die Entdeckung eines Enzyms alleine reicht noch nicht aus. Erst die Enzymtechnologie macht das Potenzial eines Enzyms technisch verfügbar und dann ist es wichtig, diese Biotechnologie in einem industriellen Maßstab anzuwenden und es zu schaffen auch preislich mit der Konkurrenz mitzuhalten,“ so Nidetzky.

Mithilfe von Biotechnologie zur CO2-Reduktion und zum „Green Deal“

Produkte, die Biotechnologie einsetzen, haben bereits jetzt einen ökologisch viel besseren Fußabdruck als Produkte, die über die chemische Industrie hergestellt werden. Zudem hat die Biotechnologie auch ein hohes Potenzial im Recycling und Upgrading von Produkten. So können biologische Abfälle aus Lignocellulose, wie Gartenschnittholz oder Stroh, durch Enzymtechnologie in wertvolle Stärkelieferanten verwandelt werden. Ein besonders innovativer Ansatz ist auch, den Abfallstoff CO2 mithilfe von Biotechnologie in einen neuen Wertstoff zu verwandeln, der für die Produktion von Futtermittel herangezogen werden kann. Das Grundprinzip dahinter ist, dass Mikroorganismen CO2 als Substrat nutzen könnten, um darauf zu wachsen, sich zu vermehren und Proteine zu bilden, die wiederum anstelle von Soja oder Fischproteinen Tierfuttermittel zugesetzt werden könnten. Damit könnte man – sollte es gelingen, diesen Ansatz des Cell Engineerings in einem industriellen Kontext anzuwenden – die CO2-Abgase in der Luft deutlich verringern und käme den EU-Klimazielen deutlich näher.

Schulterschluss der Biotechnologie mit Großindustrie

Damit solche innovativen Ansätze nicht nur Science Fiction bleiben, sondern Realität werden können, braucht es Kapitalgeber, die auch riskante Projekte umsetzen sowie eine starke Vernetzung mit der Industrie. Genau hier liegt die Stärke des europäischen Forums für industrielle Biotechnologie und Bioökonomie (EFIB), das sich auf Industriepartner konzentriert und eines der wichtigsten internationalen, industriellen Foren für Biotechnologie ist. „Ziel ist es, mit dem EFIB einen erfolgreichen Transfer von Biotechnologie in die Industrie zu schaffen und dadurch langfristig einen Beitrag für den Green Deal der EU zu leisten,“ erklärt Nidetzky.

Über die IAKW-AG

Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 24 Sälen, 180 Meetingräumen sowie rund 26.000 m2 Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen. www.acv.at

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